Diese Kantone knausern bei den Prämienverbilligungen am meisten

Neue Zahlen zu Krankenkassenprämien

Die Krankenkassenprämien werden für viele Haushalte zunehmend untragbar, wie neue Zahlen zeigen. Der Bund will mit einem Vorschlag Gegensteuer geben – doch viele Kantone stellen sich quer.

Jacqueline Büchi, publiziert: 10.02.2021, 12:51

Wie viele Prozent Ihres Lohns geben Sie allmonatlich für die Prämien aus? Bei Menschen, die in wirtschaftlich bescheidenen Verhältnissen leben, frisst die Krankenkassenrechnung nicht selten 15 oder gar 20 Prozent des Haushaltseinkommens weg. Das zeigen neue Modellrechnungen des Forschungsbüros Ecoplan im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit. Es berechnete die Zahlen für verschiedene Haushaltstypen – von Familien über Rentnerinnen bis hin zu Alleinerziehenden (Mehr zum Thema: So stark sind die Prämien in den letzten Jahren gestiegen).

Die Ergebnisse sind politisch brisant. Denn die SP steht derzeit mit einer Volksinitiative in den Startlöchern, die verlangt, dass kein Haushalt über 10 Prozent seines Einkommens für die Prämien aufwenden muss. Der Bundesrat lehnt die Initiative zwar ab, hat aber einen indirekten Gegenvorschlag formuliert. Dieser sieht vor, dass die Kantone die Prämien stärker verbilligen sollen als bisher.

In der Vernehmlassung, die vor wenigen Tagen endete, reagierten die Kantonen erbost auf den Vorschlag: Es dürfe nicht sein, dass der Bund den Kantonen Mehrkosten aufbürde und sich selber aus der Verantwortung stehle, moniert die Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK). Denn bei einer Annahme der SP-Initiative kämen auch auf den Bund Mehrkosten zu. Die GDK weist die Vorlage deshalb zurück und fordert eine Überarbeitung.

Kantone setzten Rotstift an

Wie die Berechnungen von Ecoplan zeigen, sind die Kantone allerdings nicht unschuldig daran, dass die Versicherten immer stärker unter der Prämienbelastung ächzen. So profitieren heute in den allermeisten Kantonen weniger Haushalte von Verbilligungen als noch im Jahr 2007. Schweizweit sank der Anteil der Bezüger in diesem Zeitraum von 30 auf 27 Prozent.

Der Bund kann für die Entwicklung nicht verantwortlich gemacht werden. Er reserviert jedes Jahr einen fixen Betrag für die Prämienverbilligungen – und zwar 7,5 Prozent der Gesamtkosten im Gesundheitswesen. Die Kantone hingegen entscheiden selber, wie viel Geld sie zusätzlich in Prämienverbilligungen investieren. Manche nutzten diesen Spielraum, indem sie ihre Beiträge in den vergangenen Jahren deutlich reduzierten.

Zu den knausrigsten Kantonen gehören gemäss Statistik die Kantone Bern, Uri, Nidwalden, Appenzell-Innerrhoden und St. Gallen. Sie erhalten den Grossteil der Gelder für die Prämienverbilligungen vom Bund – aus der eigenen Kasse wenden sie nur wenige Mittel dafür auf.

Am anderen Ende der Skala befinden sich die Waadt, Basel und das Tessin, welche den Bundesbeitrag mit eigenen Mitteln mehr als verdoppeln. In absoluten Zahlen bedeutet das, dass Basel-Stadt satte 1039 Franken pro Kopf für Prämienverbilligungen ausgibt, Bern laut der Statistik hingegen nur 369 Franken.

Entsprechend hätte auch der Gegenvorschlag des Bundes für die beiden Kantone ganz unterschiedliche Folgen: Bern müsste mit jährlichen Mehrkosten in dreistelliger Millionenhöhe rechnen. Für Basel-Stadt würde sich nichts ändern, da es das Soll bereits mehr als erfüllt.

Kritik an Berechnung

In Bern will man die Berechnungen allerdings nicht akzeptieren. Regierungsrätin Evi Allemann betont auf Anfrage, ein Vergleich mit den Zahlen anderer Kantone sei nicht zulässig, da Bern einen Teil der Prämienkosten über das Budget der Sozialhilfe respektive der Ergänzungsleistungen finanziere. In seiner Vernehmlassungsantwort kritisiert der Kanton denn auch die «unvollständigen Berechnungsgrundlagen».

Andere Kantone zeigen sich ebenfalls unzufrieden mit den Modellrechnungen. Inhaltlich lautet eine häufige Kritik, dass der bundesrätliche Gegenvorschlag zu wenig Rücksicht auf die Situation in strukturschwachen Kantonen nehme und zu wenig durchdacht sei.

Einen Alternativvorschlag bringen deshalb die Gesundheitsdirektoren der lateinischen Schweiz ins Spiel. Sie schlagen vor, dass die Prämien in den Kantonen unterschiedlich stark verbilligt werden – je nachdem, wie hoch das durchschnittliche Einkommen und die Prämienbelastung im Kanton sei. An den Kosten sollen sich Bund wie auch Kantone beteiligen.

174’000 Personen zahlen Prämien nicht

Dass in der Schweiz verhältnismässig viele Versicherte von Prämienverbilligungen profitieren, ist politisch gewollt. Denn anders als in vielen anderen Ländern sind die Prämien bei uns nicht einkommensabhängig. Bei der Einführung der obligatorischen Krankenkasse hatte der Bundesrat das Ziel formuliert, dass dennoch kein Haushalt über 8 Prozent seines Budgets für die Prämien aufwenden solle. Eine Marke, die heute die meisten Kantone meilenweit verfehlen.

Dies schlägt sich auch in einer weiteren Statistik nieder: 2019 zahlten über 174’000 Personen in der Schweiz ihre Prämien nicht. Die Zahl steigt seit Jahren kontinuierlich an.Publiziert: 10.02.2021, 12:51

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