Es ist Zeit, für die Freiheit der Kunst einzustehen

Vorbild soll die Kultur sein, wieder einmal, und das bekommt ihr nicht. Diesmal soll sie ein Vorbild sein im Verzicht: Theater und Museen schlossen früh. Nicht weil man sich dort besonders leicht infizieren könnte – auch bei Hygienekonzepten waren die Kultureinrichtungen vorbildlich, der Sicherheitsabstand funktionierte hier um einiges besser als in den länger geöffneten Geschäften und Fitnessstudios. Museen und Theater sind dicht, damit sich die Menschen insgesamt weniger bewegen und begegnen, und auch deshalb, weil sich hier so einfach durchregieren lässt.

Solange das ganze Land stillsteht, mag das angehen. Was aber, wenn die Maßnahmen wieder schrittweise gelockert werden – wann ist dann die Kultur dran? Nach den Friseuren, Bordellen, Bars, als Letzte also? Weil die Kultur ja, wie es etwa Kanzleramtsminister Helge Braun ausdrückte, zum „Freizeitbereich“ gehört, der nachrangig zu behandeln ist gegenüber Geschäftsinteressen und schulischer Bildung?

Hört man die Politiker reden, liest man die Verordnungen der Länder, verfestigt sich der Eindruck: Die Verantwortlichen wissen gar nicht, was sie an der Kultur haben. Sie scheinen in ihr einen im Ernstfall verzichtbaren Luxus zu sehen. Das verkennt dreierlei: Erstens ist die Kunstfreiheit im Grundgesetz geschützt, sie auszutrocknen durch Aufführungsverbote, verbietet sich auf Dauer. Zweitens dienen Museen und Konzerthäuser außer dem Vergnügen der allgemeinen Bildung, was sie auf eine Stufe mit Bibliotheken oder Universitäten stellt. Drittens hängen Millionen Arbeitsplätze an der Kulturbranche – viele davon ohne Tarifverträge und Chance auf Kurzarbeit.

– schreibt die sueddeutsche.de am 1.1.2021

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